Interview mit Dave Smally von Down by Low
Better Than A Thousand ?
Wer mit Dave Smalley, dem Sänger von Down By Law zusammentrifft, muß darauf vorbereitet sein, daß der 30jährige viel zu erzählen hat. Die Themen beschränken sich dabei nicht nur auf seine Band, sondern er kann auf ein Repertoire zurückgreifen, das die letzten 15 Jahre Punkrock Revue passieren läßt.
Durch seine Teilnahme an den einflußreichen Bands DYS und All und seine Karriere mit Down By Law, die mittlerweile fünf Alben hervorgebracht haben, zählt Dave Smalley zu den wenigen, die von einem wütenden Teenager zu einem erfahrenen Punkrocker herangereift sind und trotzdem eins geblieben sind – down to earth. Über die Jahre hinweg hat er sich mit seiner Musik niemals an irgendwelche Regularien gehalten geschweige denn Business-Spielchen mitgespielt. Da fragt man sich doch, woher die Motivation kommt, Jahr für Jahr eine neue sehr gehaltvolle Platte zu veröffentlichen und dennoch niemals omni-präsent zu sein. Dave Smalley entgegnet: „Der Grund, warum ich immer noch in einer Band singe ist der, daß mich die Welt nach wie vor emotional bewegt.Klar bin ich kein ‚angry young kid‘ mehr, aber ich ich bin ein leidenschaftlicher erwachsener Mann, der immer noch daran glaubt, wofür Punkrock einst stand und jetzt steht. Ich glaube daran.“ Das klingt sehr danach, als sei das eine einstudierte Antwort auf eine oft gestellte Frage. Ist in den Reihen von DBL vielleicht doch schon Routine eingekehrt? „Bis jetzt ist das noch nicht der Fall gewesen“, entgegnet Dave Smalley ernst und führt im gleichen Atemzug fort:“Sollte der eintreten, würden DBL nicht mehr auf Tour gehen, geschweige denn eine Platte aufnehmen. Die neue Platte, und das ist jetzt keine Floskel, ist für mich die beste Platte, die ich bisher aufgenommen habe. Das umfaßt das Songwriting und die Texte, die für mich die besten sind, die ich in meinem ganzen Leben geschrieben habe. Diese Aussagen sind jetzt nicht auf Down By Law beschränkt, sondern auf alle Bands, in denen ich jemals mitgespielt habe. ‚Last Of The Sharpshooters‘ ist die beste Arbeit, die ich jemals geleistet habe.Die Texte sind intelligent und fokussiert und ich habe gemerkt, daß ich als Pop-Song-Schreiber immer besser werde. Der Unterschied zu anderen Punkrockbands in der ganzen Welt ist der, daß DBL sehr gute Songs hat.“ Welche Gründe gibt es für eine dermaßen große Überzeugung? „Wir machen keine Komödie, haben kein spektakuläres Outfit sondern einfach nur unsere Musik. Jeder in der Band, mich als Sänger jetzt mal ausgenommen, ist ein herausragender Musiker. Angry John ist ein phänomenaler Bassist, Sam Williams ist eine junge Version von Brian Baker und bei beiden fühlt man, daß sie die Musik leben, die sie spielen. Auch unsere Schlagzeuger, von denen wir bisher von der Zahl her wohl am meisten hatten, waren alle sehr engagiert.“
„Last Of The Sharpshooters“ präsentiert uns ohne Zweifel punkige Pop-Songs. Erst nach mehrmaligem Hören funkt es, und die Platte wird von Mal zu Mal eingängiger. Woran liegt es, daß der Sound DBL’s oberflächlich betrachtet um einiges harmloser geworden zu sein scheint?
„Du meinst, daß es radiofreundlicher wirkt?. Mmmhhh, das ist meine Schuld. Es war mein Einstand als Produzent, vielleicht hört man das? Es ist aber gut, wenn man eine Platte öfter als einmal hören muß, um auf sie aufmerksam zu werden. Als ‚My War‘ von Black Flag herauskam, habe ich die Platte gehaßt. Ich habe sie nicht verstanden, ich mochte sie nicht, und je öfter ich die Platte gehört habe, desto mehr wuchs meine Sympathie.“
Wenn „Last Of The Sharpshooters“ nach Eigenaussage zu den besten Platten zählt, die DBL je aufgenommen haben, klingt das wie ein Rückblick auf Zeiten, in denen so manche Fehlentscheidung gefällt wurde. „Klar“, sprudelt Dave prompt hervor,“die zweite DYS-Platte war grauenhaft. Vielleicht auch die erste All-Platte, als wir noch gar nicht so richtig wußten, was wir wollten. Auch DBL ist mit ‚Punkrockacademyfightsong‘, ‚All Scratched Up‘ und jetzt ‚Last Of The Sharpshooters‘ besser geworden. Die Band ist menschlich näher zusammengerückt. Zu Beginn war DBL ein Projekt, daß sich mehr an Hardcore orientierte. Ich mag die ersten beiden DBL-Platten heute noch, aber erst mit „Punkrock…“ habe ich den Weg gefunden, auf dem ich mich sicher fühlte. An diesem Punkt war es mir auch ziemlich egal, ob wir überhaupt auch nur eine Kopie des Albums verkaufen würden. Wir sagten eigentlich ‚Fuck You‘ zu allem und jedem. Die nächsten zwei haben wir in der gleichen Tradition aufgenommen.“ Die Schlagzeuger-Position ist bei DBL wie ein rotierender Sessel. Hat sich mittlerweile jemand gefunden, der den Stuhl für längere Zeit besetzen wird? „Ich glaube schon. Sein Name ist Milo. Nicht der Milo von den Descendents“, lacht Dave. „Es ist total interessant, daß Milo überhaupt keine Punkrock-Connections hat. Er spielte vorher in einer unbekannten LA-Prog-Rockband, die sich so ähnlich wie Rush anhören. Das beweist, daß er ein sehr guter Drummer ist, und vielleicht ist er sogar der Beste, den wir jemals hatten.“ Wie sieht es mit den alten Beziehungen aus und was stimmt an den Gerüchten einer Dag Nasty Re-Union? „Re-Unions können ziemlich mies sein, aber sie können auch sehr gut rüberkommen. Ich habe die Re-Union der Sex Pistols gesehen, und das war einfach super. Es war zwar nicht wie 1977, aber es war völlig genial zu sehen, wie sie die Stücke spielten, die definitiv die Rock’n’Roll-Welt veränderten. Eine Dag Nasty-Re-Union müßte schon einen ganz speziellen Grund haben.“ Welcher Grund sollte das sein? Die meisten Re-Unions kommen meistens nur zustande, wenn den Leuten das Geld ausgeht. „Keine Ahnung. Wir haben zwar schon oft darüber gesprochen, aber wir haben bis jetzt noch keinen Grund gefunden. Geld kann es nicht sein. Brian Baker war der Haupt-Songwriter, und wenn er ein paar besondere Stücke hätte, vielleicht. Aber vorerst nicht.“
Thorsten Zahn (Visions Nr.60)
Label: Epitaph